Interview mit Christina Meier Leiterin Nachhaltigkeit bei der SBB
Wir haben Christina Meier zum Thema Nachhaltigkeit in der Bahnbranche befragt.
Als Leiterin Nachhaltigkeit bei der SBB hebt Christina Meier hervor, dass Nachhaltigkeit in der Bahnbranche ein zentrales Thema ist und betont deren Bedeutung für die SBB in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht. Sie erklärt, dass der SBB Fortschritte im Klimaschutz gelungen sind, wie der Ersatz fossiler Heizungen in Immobilien und die Umsetzung zahlreicher Umweltmaßnahmen. Für die Zukunft sieht Meier Herausforderungen, insbesondere bei den indirekten Emissionen, wo nachhaltigere Materialien und emissionsärmeres Rollmaterial notwendig sind. Die SBB setzt dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten, um nachhaltige Standards zu fördern, und rechnet mit weiteren Regulierungen und Anforderungen zur Kreislaufwirtschaft und den Einsatz langlebiger Chemikalien.
Wie nehmen Sie als grosser Bahnbetreiber den aktuellen Stellenwert des Themas Nachhaltigkeit in der Bahnbranche wahr?
Nachhaltigkeit ist in der Gesamtbranche eines der grossen Themen, schon allein, da wir wegen des Umweltvorteils der Bahn in der Schweiz in den letzten Jahren immer wieder Geld für Ausbauten erhalten haben. Das Halbtax-Abonnement, die Neat mit dem Gotthard Basistunnel, der Ausbau der Bahn 2000-Strecke und viele weitere Neuerungen kamen nur zustande, weil ein Umweltproblem in der Schweiz wahrgenommen wurde, welches es zu lösen galt.
Nebst der Stärkung des Umweltvorteils hat die Nachhaltigkeit für uns auch ökonomische Vorteile: Es ist ein Verkaufsargument bei den Kunden, wir als SBB können Geld sparen durch den nachhaltigen Einsatz von Ressourcen, gewinnen an Arbeitgeberattraktivität und nicht zuletzt hängt unsere License to operate davon ab. Es ist also ein sehr zentraler Aspekt unserer Tätigkeiten.
Welches sind ihrer Meinung nach die derzeitigen Schlüsselthemen der Nachhaltigkeit bei Ihnen als grosser Bahnbetreiber?
Die soziale Nachhaltigkeit spielt mit den Gewerkschaften seit jeher eine grosse Rolle und natürlich auch der finanzielle Aspekt. Im sozialen Bereich sind es vor allem die Themen Sicherheit, Gesundheit und auch Diversity&Inclucion. In den letzten Jahren ist aber der Stellenwert der Umweltthemen gewachsten. So betreiben wir eine grosse Infrastruktur und haben einen hohen Energiebedarf. Somit stehen Klima und Energie an erster Stelle. Da wir aber auch einen grossen Materialbedarf haben, ist Kreislaufwirtschaft ein wichtiger Schlüssel für die Zukunft. Mit unserer Bautätigkeit haben wir einen grossen Einfluss auf Lebensräume für Mensch und Natur. Daher bauen wir nach hohen Nachhaltigkeitsstandards und fördern auch die Biodiversität. Weiter sind die Anpassung an den Klimawandel und die nachhaltige Beschaffung relevante Themen.
Wie beurteilen sie die Entwicklung des Stellenwerts der Nachhaltigkeit in der Branche?
Das Thema hat an Bedeutung gewonnen und alle Bahnen haben in diesem Bereich grosse Fortschritte gemacht. Wir sehen uns hier klar in einer Vorbildrolle. Aber auch nur schon wegen der strenger werdenden Regulationen kann sich niemand mehr davon entziehen.
Wo stehen Sie bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie?
Wir haben im Umweltbereich die Schwerpunkte Klima&Energie, Kreislaufwirtschaft, Nachhaltiges Bauen, Biodiversität, Klimawandel und Nachhaltige Beschaffung. Allgemein sind wir auf einem guten Weg und haben über 200 Massnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit bei uns angestossen. Im Bereich Klima und Energie, werden wir zum Beispiel bis 2030 in all unseren Immobilien die Öl- und Gasheizungen durch nachhaltige Alternativen ersetzen. Unseren geplanten Absenkpfad für Scope 1 und 2 des Greenhouse Gas Protocols haben wir schon übertroffen.
Derzeit die grösste Herausforderung für uns ist es, einen Absenkpfad für Scope 3, welcher alle indirekten Treibhausemissionen berücksichtigt, zu festzulegen. Es ist klar, dass bei den Treibern Beton und Metallen angesetzt werden muss. Dies heisst, auch das Rollmaterial muss emissionsärmer werden, was aber erst mittel- bis langfristig in die Beschaffung einfliessen kann. Bei der Kreislaufwirtschaft und Biodiversität machen wir Fortschritte, es besteht aber noch ein grosses Potenzial. Hier sind wir oft auch abhängig von den langen Investitionszyklen bei der Bahn.
Welche Themen sehen Sie in der Zukunft als die zentralen Themen der Nachhaltigkeit?
Ich gehe davon aus, dass die Themen, welche derzeit wichtig sind, auch in Zukunft von grosser Bedeutung sein werden. Zusätzlich werden aber Themen wie die langlebigen Chemikalien PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) stärker in den Fokus rücken. Über diese Stoffe wissen wir teils noch wenig und müssen erst herausfinden, wo diese überall eingesetzt wurden. Hier werden neue Anforderungen auf uns und die produzierende Industrie zukommen.
Welche Erwartungen haben Sie im Rahmen ihrer eigenen Nachhaltigkeitsanforderungen an Ihre externen Stakeholder, in der vor oder nachgelagerten Lieferkette?
Im Rahmen unserer Anstrengungen, unseren Impact auf Stufe Scope 3 zu senken, ist uns die Nachhaltigkeit unserer Lieferanten wichtig. Derzeit arbeiten wir mit der Lieferantenbewertung EcoVadis, welches durch unsere Lieferanten ausgefüllt werden muss. Wir müssen aber auch in Beschaffungen Nachhaltigkeitsanforderungen aufnehmen, so zum Beispiel Grünen Stahl verlangen. In gewissen Risikobranchen arbeiten wir mit weiteren Audits.
Welche neuen Anforderungen sehen Sie, die auf die Bahnindustrie zukommt?
Es ist absehbar, dass der Bund als unser Eigener, uns das Ziel im Scope 3 bis 2050 Netto Null zu erreichen, vorschreiben wird. Dies klingt zwar nach einer langen Zeit, trotzdem müssen wir uns jetzt an die Arbeit machen. Daher werden auch hier die Anforderungen an unsere Lieferanten steigen. Im Umweltbereich zum Beispiel ist für uns eines der Kernthemen, die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. So hilft ein zum Beispiel ein modularer Aufbau, damit Produkte repariert werden können und nach ihrem End of Life in anderer Form weiter genutzt werden können, was sich wiederum günstig auf die Scope 3 Emissionen auswirkt.
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