Swissrail Industry Association / Thu 24.11.2022

Nachhaltigkeit im Bahnverkehr weist unterschiedliche Ansätze auf

Das Thema der Ressoucenreduktion ist ein Hauptansatzpunkt in der Nachhaltigkeit. Dabei werden Produkte entweder gar nicht, oder in verminderter Menge in den Umlauf gebracht, oder man versucht einen grossen Teil davon in Form des Recyclings im Rohstoffkreislauf zu behalten. Dieser Ansatz ist nicht überall möglich. In der Bahnindustrie werden grosse Mengen an Schmierstoffen mit dem Ziel eingesetzt, die Reibung zwischen den Kontaktflächen Rad/Schiene und Weiche/Weichensattel zu reduzieren. Diese Produkte werden den Totalverlustschmierstoffen zugeordnet. D.h. nachdem sie ihre Wirkung an der Einsatzstelle erfüllt haben, gelangen sie über den Schotter in die Umwelt. Studien deuten zwar darauf hin, dass das Material überwiegend im Schotter zurückbleibt, trotzdem sollte der Schotter nicht mit persistenten Materialen kontaminiert werden, da dies Einfluss auf die Kategorisierung (z.Bsp. Sondermüll) des Schotters am Ende seiner Lebenszeit haben könnte.
Die Schweizer Firma Igralub AG für Schmiertechnik ist ein Pionier im Gebiet der Rad/Schienekonditionierung. Begonnen mit Spezialschmierstoffen in den 90er Jahren, vertreibt sie heute auch Monitoring, Sprühsysteme und dazugehörige Steuerungen um die Schmierstoffe punktgenau zu applizieren. Welche Technologie hat heute die Nase vorn? Welche Hürden ergeben sich bei deren Einsatz? Gibt es ein Greenwashing auch in der Bahnbranche? Wir stellen diese Fragen Herrn Dr Fabrizio Steinebrunner, Leiter Verkauf & Consulting bei Igralub AG für Schmiertechnik, Zürich..

In welcher Grössenordnung bewegen sich Bahnschmierstoffe und wie müssen diese als Schadstoffe eingestuft werden?
 
Hier müssen wir uns an publizierten Zahlen orientieren. Für die SBB wissen wir, dass diese auf dem gesamten Netz ca. 45 Tonnen Spurkranzschmiermittel und 16 Tonnen Weichenschmierstoffe pro Jahr ausbringen. Klar gibt es noch viele weitere Emissionen des Bahnverkehrs, Bremsabrieb, Gleisabrieb, Pflanzenschutzmittel um nur ein paar zu nennen, welche aus toxikologischer Sicht wesentlich kritischer sein können. Trotzdem müssen wir uns als Igralub auf unser Einflussgebiet fokussieren, um dort eine Optimierung anzustreben. 
 
Was wissen wir über den Verbleib dieser Stoffe?
 
Vermutlich kommt sehr wenig Material aus dem Schotterbett heraus[1]. Die Menge die herauskommt, gelangt aber früher oder später ins Grundwasser. Es gibt etliche Bahnlinien, die sich durch Gewässerschutzzonen bewegen. Die heutigen Appliziersysteme berücksichtigen den Ort der Ausbringen selten, d.h. applizieren den Rad/Schieneschmierstoff auch in solchen sensitiven Zonen. Die gesonderte Entwässerung des Oberbaus ist auch nicht überall umgesetzt. Daher kommt den Produkten in der Schweiz bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Umwelt ein besonderes Augenmerk zu.
 
Welche Produkte stehen heute zur Verfügung und wo liegt der Beitrag von Igralub?
 
Hier ist es wichtig zuerst einen kleinen Exkurs zu den Schmierstoffen zu machen. Schmierstoffe sind generell aus 3-4 Komponentengruppen aufgebaut. 
  • Das Grundöl
  • die Verdickermatrix
  • Additive
  • mögliche Festschmierstoffe (d.h. Partikel die in fester Form eine Schmierwirkung haben).  
Jede Einheit kann für sich betrachtet eine Einstufung bzgl. der Ökologie erfahren. Wurden früher häufig Schmierstoffe basierend auf Mineralöl verwendet, hat sich seit Mitte der 90er Jahre eigentlich in den meisten Fällen die Verwendung von leichtabbaubaren synthetischen Ölen als Grundöl durchgesetzt. Die Verdickermatrix kann organischer oder anorganischer Natur sein. D.h. z.Bsp. verseifte Fettsäuren (Ca, Li Fette) oder eben Tonmineralien im Falle der anorganischen Verdickern. Additive werden zwar in kleinen Mengen zur Verbesserung des Verschleissschutzes und zum Korrosionsschutz zugegeben, das können aber chemisch recht aktive Moleküle sein, daher wird ein grosses Augenmerk darauf geworfen. Zuletzt haben wir bei den Bahnschmierstoffen häufig Festschmierstoffe drin. Diese dienen zur Garantie von Notlaufeigenschaften und zur Erhöhung der im Bahnverkehr wichtigen Druckaufnahmefähigkeit. Bei Igralub kommen unproblematische Komponenten zum Einsatz. Synthetische Ester bei den Grundölen, ein anorganischer, natürlich, vorkommender Verdicker und natürliche Festschmierstoffe (z.Bsp. Graphit). 
 
“Natürlich” heisst ja wohl nicht unproblematisch? Asbest ist auch ein natürlicher Stoff.....
 
Das stimmt. Daher kommen vom Markt nun auch immer mehr Label ins Spiel, welche versuchen alle Kriterien unter einem Schirm zusammenzufassen. Bekannt sind der Blaue Engel und das EU Umweltzeichen. Diese bringen eine Weiterentwicklung gegenüber dem alleinigen Kriterium der biologischen Abbaubarkeit. Beide Labels stellen neben der Grundanforderung der leichten biologischen Abbaubarkeit (zum Beispiel den OECD 301B Test) auch Anforderungen an die Toxizität der eingesetzten Komponenten. Hierzu wird die akute und chronische Toxizität auf Algen, Daphnien und Fische beurteilt. Abgerundet wird diese Einstufung auch anhand des Potenzials für Bioakkumulation der Substanzen. Hinzu kommen Kriterien für die eingesetzten Additive, für das Verpackungsmaterial, die Nachhaltigkeit von nachwachsenden Rohstoffen. Zudem muss gezeigt werden, dass die Produkte aktiv verwendet werden, d.h diese bei Kunden eingesetzt werden. Damit will man verhindern, dass zwar alle Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden, das Produkt jedoch in der Praxis durchfällt. 
 
Wäre es dann nicht am besten wir würden einfach Wasser mit Festschmierstoff oder rein pflanzenölbasierte Produkte nehmen?
 
Für viele Anwendungen würde das wohl gehen. Ich denke da an die Forstindustrie. Leider haben wir bei den Bahnen z.T. komplexe Rahmenbedingungen, die es zu erfüllen gilt. Ich nenne als Beispiel die Spurkranzschmierung,. eine Standardanwendung bei den Zügen. Das Produkt wird mittels einer kleinen Zentralschmieranlage über eine Düse in kleinen Mengen direkt aufs Rad aufgesprüht. Das muss bei -25°C, aber auch bei +50 °C sprühbar sein, darf nicht abschleudern und die Druckaufnahmefähigkeit muss hoch sein..... Wasser allein kann für diesen Zweck nicht verwendet werden, nur schon aufgrund der Temperatur. Pflanzenöl allein kann den den Temperaturbereich ebenfalls nicht erfüllen. 
 
Gibt es weitere Herausforderungen in der Umsetzung, z.Bsp. In Bezug auf die Labels?
 
Ja, es ist so, dass auch bei einem Label Produkte durch die Maschen fallen können. Für eine unserer Hauptanwendungen, der Schienenkopfkonditionierung, wird Headlub, ein Produkt, mit hohem Feststoffgehalt eingesetzt. Das EU Umweltzeichen sieht maximal 20 % einer NICHT bio-abbaubaren, nicht toxischen, nicht bioakkumlierbaren und nicht-nanoförmigen Fraktion im Endprodukt vor. Aufgrund des spezifischen Einsatzbereiches, hat Headlub über 30 %, dieser relativ unproblematischer Feststoffe. Das Produkt funktioniert gut und ist weltweit bei vielen Betreibern im Einsatz....ein gutes Beispiel wie Normen oder Labels auch Bestehendes zementieren oder Innovation verlangsamen können.
 
 Ist Greenwashing ein Thema?
 
Das wäre ja dann gegeben, wenn wir eine Methode oder ein Produkt als nachhaltig “promoten” würden, welches in Wirklichkeit höchstens den momentanen Stand der Technik darstellen würde. Quasi alter Wein in neuen Schläuchen. Viele Firmen versuchen sich mit Ökologie medienwirksam ins Rampenlicht zu rücken. Doch beim Thema Verlustschmierstoffe scheint mir effektiv ein Bedarf nach mehr Ökologie gerechtfertigt. Man kann sagen, dass die Label dies auch einfordern. Natürlich könnte sie manchmal auch zu wenig weit gehen, in anderen Anforderungen gehen sie aber zu weit (siehe mein Beispiel zum Festschmierstoff). Ein grösseres Problem stellt die Diskrepanz zwischen Gesetz und Praxis dar.
 
Können Sie das erläutern? 
 
Die Forderung ist da. Das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen erwähnt effektiv die Nachhaltigkeit als eines der Zuschlagskriterien. In der Praxis ist es aber so, dass Betreiber häufig Wege finden, um eine Ausschreibung zu umgehen, da dadurch zwangsläufig neue Produkte im Einsatz evaluiert werden müssten. Diese Kosten werden gescheut, man belässt lieber alles beim Alten. Das heisst Betreiber bleiben bei den alten Produkten so lange es gesetzlich geht. Es kommt zum Beispiel vor, dass ein Betreiber Lieferverträge mit einer Laufzeit von mehreren Jahren zulässt – wie ist es da möglich innert nützlicher Frist neue, nachhaltigere Produkte einzubringen? Dieses Problem haben wir bei einigen Betreibern erlebt.
 
Wo sieht Igralub die Zukunft?
 
Wir sehen die Verminderung der ausgebrachten Mengen an Verlustschmierstoffen als ökologisches Ziel. Da diese nicht rezykliert werden können, muss die Strategie der Vermeidung das angestrebt werden. Dennoch, ohne Technik wird der Erfolg der Nachhaltigkeit nicht möglich sein. Das Zusammenwirken von Steuerung und ökologischem Schmierstoff wird in der Zukunft nicht zu umgehen sein. Zu diesem Zweck hat Igralub bereits jetzt sowohl ein Monitoring Konzept (zum Auffinden der Orte, wo eine Applikation Sinn macht) und Systeme, die punktgenau Produkt applizieren können. Ich erwähne nochmals die eingangs genannte Spurkranzschmierung. Heutige Systeme bringen die Spurkranzschmierstoffe häufig nach einem fixen Zeitschema aus. Bringt man jedoch gleichviel Produkt auf einer geraden Strecke wie in kurvigen Regionen aus, wird dies zweifellos zu Überschmierung und damit zu Verlusten führen. Dies ist nicht zeitgemäss. Das Monitoring zusammen mit einer guten Steuerung kann aber dieses Problem beheben und die Mengen ausbringen, die es an einem gegeben Ort zur gegebener Zeit braucht. Ebenfalls kommt der Optimierung des Reibwerts zwischen Rad/Schiene zunehmende Bedeutung zu. Es gibt hier Bestrebungen durch eine geschickte Kombination von Sandung und Schmierstoff den Reibwert während der Fahrt laufend in einem optimalen Bereich zu halten, was sich positiv auf den Energieverbrauch der Fahrzeuge und den Verschleiss auswirken könnte.


[1]     Adolph G. und Schmid R., 2016. Ganzheitliche Emissionsbetrachtung für Bahnanlagen und Bahnbetrieb
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  • Swissrail Industry Association
  • Taubenstrasse 32
  • CH-3011 Bern

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