Interview mit Bundesrat Albert Rösti
Wir haben Bundesrat Albert Rösti zur Digitalen Automatischen Kupplung befragt.
Als Vorsteher des Verkehrsdepartements und bekennender Eisenbahnfan setzt sich der Bundesrat für eine zukunftsorientierte Mobilität in der Schweiz ein. Im Interview spricht er über seine Pläne zur Stärkung des Bahnverkehrs, die Chancen und Herausforderungen der Digitalen Automatischen Kupplung und die wichtige Rolle der internationalen Zusammenarbeit.
Als Vorsteher des Verkehrsdepartements haben Sie sich als Eisenbahnfan bekannt. Welche Akzente möchten Sie im Bahnland Schweiz setzen?
Das Mobilitätsbedürfnis in der Schweiz ist stark gestiegen: Wir nehmen längere Arbeitswege in Kauf als früher, bewegen uns für Freizeit und Ferien auf Schiene, Strasse und in der Luft, und auch der Transport von Gütern findet dort statt. Seit ich mein Amt als Bundesrat angetreten habe, sage ich, dass es nichts bringt, einen Verkehrsträger gegen den anderen auszuspielen. Ja, ich bin ein Eisenbahnfan, anerkenne aber selbstverständlich auch die Wichtigkeit von Strasse und Luftverkehr. Mir geht es vor allem darum, jeweils jene Lösungen für eine zielführende Mobilität zu finden, die wirtschaftlich und ökologisch Sinn machen. Ich hoffe, dass es mir als Infrastrukturminister gelingen wird, zur Versachlichung dieses zum Teil auch emotional diskutierten Themas beizutragen.
Anfang dieses Jahres hat der Bundesrat die Botschaft zur Einführung und Förderung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) verabschiedet. Die DAK soll den Schienengüterverkehr effizienter, schneller und wirtschaftlicher gestalten. Welche Chancen und Risiken sehen Sie bei der Einführung und Anwendung der DAK?
Wir versprechen uns von der DAK nicht nur eine Effizienzsteigerung des Kupplungsvorgangs, sondern der ganzen Zugsvorbereitung. Deshalb ist die DAK auch für die Ganzzüge und den alpenquerenden Verkehr wichtig. Bis ein Güterzug losfahren kann, braucht es heute bis zu drei Stunden Vorbereitungszeit, weil alles händisch gemacht werden muss. In dieser Zeit ist ein Lastwagen schon durch die halbe Schweiz gefahren. Mit der DAK können diese Zugsvorbereitungszeiten auf ein Minimum reduziert werden. Die Logistik und die Wirtschaft können profitieren, weil die Güter schneller an ihrem Bestimmungsort sind. Langfristig kann damit Geld gespart werden. Mit der DAK wird auch die Sicherheit der Mitarbeitenden erhöht, das ist mir wichtig.
Die Einführung der DAK ist nicht nur für den Binnengüterverkehr von Bedeutung. Auch die EU steht vor ähnlichen Herausforderungen und diskutiert die Einführung der DAK. Die Schweiz ist dem europäischen Prozess voraus, möchte aber die Abstimmung mit dem «European DAC Delivery Programme» (EDDP) sicherstellen. Wie vermeiden Sie eine helvetische Sonderlösung?
Die Einführung der DAK für den Schienengüterverkehr muss europaweit gelingen, ansonsten bleibt der Nutzungseffekt zu klein. Deshalb und aus voller Überzeugung hat die Schweiz zusammen mit Deutschland und Österreich Ende April 2024 ein gemeinsames Positionspapier unterzeichnet mit dem Bekenntnis zur DAK. Aus diesem Grund steht schon jetzt fest, dass es keine Schweizer Sonderlösung geben wird: Unser Land pflegt sehr enge Kontakte mit zahlreichen Ländern in Europa. Wir sind gut vertreten in allen wichtigen internationalen Gremien des Landverkehrs. Die DAK ist ein wichtiges Thema in den Fachgruppen des Schienengüterverkehrs. Die EU hat Hunderte von Millionen Euro investiert, um die Entwicklungsprojekte Europe’s Rail Joint Undertaking (ERJU) und European DAC Delivery Programme (EDDP) aufzugleisen.
Nicht alle EU-Mitgliedsstaaten sind von der DAK überzeugt. Die Schweiz hat sich daher mit Deutschland und Österreich als europäische DAK-Befürworter positioniert. Was können wir von unseren Nachbarländern in Bezug auf die DAK-Einführung lernen?
Wie gesagt: Die EU-Mitgliedsstaaten müssen wir unbedingt ins Boot holen. Die Schweiz verfügt über ein gutes Renommee bezüglich des Schienenverkehrs und hat den Gästestatus in den technischen Kommissionen. Deshalb wird die Schweiz mit Deutschland und Österreich in der EU für die DAK werben. Mit unserem Side Event zur DAK am Internationalen Transport Forum in Leipzig vom 22. Mai konnten wir ein Signal an die EU und die anderen europäischen Länder senden. Die Europäische Kommission hat etwa gleichzeitig eine deutsche Beihilferegelung für den Einzelwagenverkehr in Höhe von 1,7 Milliarden Euro genehmigt, mit denen Schienengüterverkehrs-Unternehmen unterstützt werden können, ähnlich unserem Gütertransportgesetz. Ich interpretiere das als ein gutes Signal.
Für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Zusammenarbeit aller Akteure entscheidend. Swissrail vertritt mittels einer Arbeitsgruppe die Perspektive der Industrie im Prozess. Welche Wünsche haben Sie an die Industrie? Wie kann die Schweizer Bahnindustrie die Einführung der DAK auf europäischer Ebene unterstützen?
Ich begrüsse sehr, dass sich die Industrie für die Einführung der DAK gut aufstellen möchte. Ich stelle aber auch fest, dass bisher allein SBB Cargo und diese wiederum wesentlich finanziell unterstützt durch den Bund Vorleistungen erbracht hat. Die DAK bietet grosse Chancen für den Bahngüterverkehrsmarkt und die Zulieferer. Es kann aber nicht sein, dass allein der Bund und die Bahnen die Risiken tragen. Es ist nun Aufgabe der Industrie, eine robuste und finanziell tragbare Lösung zu finden, die rasch verfügbar ist. Es muss nun ganz schnell auf eine Zulassung und Marktreife hingearbeitet werden.
Wenn wir ins Jahr 2028 blicken, wo stehen wir da in Bezug auf die DAK und die digitalisierte Abwicklung von Gütern im Schienentransport?
Im Jahr 2028 können wir startklar sein oder schon mitten drin für die Migration zur DAK. Ich gehe davon aus, dass 2026 bereits mehrere Züge mit einer DAK und Schweizer Komponenten erfolgreich in Probebetrieb gegangen sein werden. Die Technologie ist so stabil, dass die schweizerischen und die europäischen Zulassungsbehörden technisch das grüne Licht gegeben haben. Die DAK kann serienreif produziert werden. Das ist ein grosses Projekt: Es geht in ganz Europa dann um rund 500'000 Wagen, die ausgerüstet werden müssen.
Schweizer Mobilitätslösungen sind ein globaler Exporterfolg und rund 80 % der Swissrail Mitglieder sind weltweit tätig. Entsprechend setzt sich Swissrail für die Exportförderung ein und plant regelmässig Aktivitäten im Ausland. Wie kann das UVEK den Swissrail-Mitgliedern zusätzliche Unterstützung bieten?
Das UVEK und insbesondere das BAV pflegen eine gute und enge Zusammenarbeit mit der Industrie. Wir unterstützen die Erprobung von technologischen Erneuerungen, um marktreife, robuste und günstige Produkte zu entwickeln, die auf der ganzen Welt Chancen haben. Der Ruf der Schweizer Eisenbahnen und überhaupt des öffentlichen Verkehrs ist sehr gut. Und Sie wissen, da steckt immens Geld drin. Das ist die beste Werbung für Schweizer Eisenbahnprodukte.
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